Psychoaktive Räume gestalten

Raum und Rausch

 Drogenkultur im Spiegel funktionaler Raumgestaltung und psychoaktiver Kommunikation

Der Begriff Kultur leitet sich vom lateinischen Wort „cultura“, (Bearbeitung, Pflege) ab und beschreibt die Fähigkeit des Menschen, kreativ-gestalterisch mit seiner Umwelt umzugehen. Die Grundvoraussetzungen für kulturelle Entwicklungen liegen in Kommunikation und Austausch.

Drogengebrauch berührt wesentliche kulturelle Aspekte. Wir begegnen einem komplexen Phänomen mit flexiblen Wechselwirkungen. Die Entwicklung von Strategien im Umgang mit Drogen erfolgte oft unter kulturellem Blickwinkel. Differenzierte Verhaltensweisen, Regeln und Rituale entstanden, um Drogen kulturell einbinden und potenzielle Risiken und Gefahren reduzieren zu können.

Andererseits haben Drogen die menschliche Wahrnehmungsmöglichkeit beeinflusst und wirkten so auf kulturelle Ausdrucksformen zurück. Drogen sind Spiegel für unsere Realität, haben aber auch auf die Entwicklung und Entfaltung kultureller Dynamik eingewirkt.

Diese Dynamik können wir auch im Bereich von Raumgestaltung wiedererkennen.

Gebäude,

die für einen konkreten, kommunikativen Drogengebrauch bestimmt sind und darin einer eigenen Ästhetik entsprechen, wurden im Rahmen unterschiedlichster Kulturen errichtet:

  • Pub, Kneipe und Gasthaus
  • Brauereien
  • Bar
  • Absintherie
  • Weinkeller, Weinstube
  • Teehaus
  • Kaffeehaus
  • Cannabis-Coffeeshop
  • Shisha-Bar
  • Kava Kava – Gemeinschaftshaus
  • Opiumhöhlen
  • Tipis und Rundhäuser für das Peyote-Ritual
  • Tempelanlagen für Heil- und Trancezeremonien
  • Whiskey-Destille

Diese Räume wurden darauf ausgerichtet, einem gemeinschaftlichen Drogengebrauch den entsprechenden kommunikativen, wie ästhetischen Rahmen zu geben.

In kultureller Hinsicht sind diese Räume aus verschiedenen Gründen interessant und wertvoll:

Die Architektur der Räume weist oft eine Originalität auf, die auch auf die Funktion als kollektiver Drogenraum zurückzuführen ist. Bars, Pubs, Kaffeehäuser oder Coffeeshops sollen bereits an ihrem äußeren Erscheinungsbild als solche erkannt werden. Gleichzeitig spiegeln diese Gebäude regionale und zeitgeschichtliche Elemente der Architektur wider.

Manche Räume befinden sich in Gebäuden mit direktem Bezug zur Herstellung der Drogen, so in Weinkellern, Brauereien, Kaffeeröstereien.

Die Innenausstattung dient dem Zweck der Räume. Es gibt eine Ausgabenstätte für die Drogen. Das kann eine Einrichtung für den Ausschank sein, wie ein Tresen, ein Zapfhahn oder eine Bar. In niederländischen Coffeeshops sind Verkaufsstellen für Haschisch und Marihuana integriert. In den Räumen sind passende Gebrauchsplätze eingerichtet. Die für den entsprechenden Drogengenuss benötigte Gegenstände, Utensilien und allerlei Beiwerk werden in der Regel vor Ort zur Verfügung gestellt, so z.B. Wasserpfeifen in Shisha-Bars oder Pfeifen und Besteck für das Inhalieren von Opium in den Opium-Salons.

Die Ästhetik der Raumgestaltung bezieht sich auf die konsumierende Droge. Symbolische Bezüge (Hopfenblüten, Weinreben, Hanfblätter) sind oft im Design zu finden. Die Gesamtatmosphäre des Raumes richtet sich auf seine Aufgabe als kollektiver Drogengebrauchsraum aus.

Diese Räume erfüllen eine wesentliche soziale Funktion. Sie dienen der Kommunikation, schaffen Orte der Begegnung und strukturieren gesellschaftliche Rhythmen. Sie bieten an, freie Zeit gemeinsam zu verbringen und Höhepunkte zusammen zu feiern.

An diesen Orten geschieht intensiver kultureller Austausch. Dabei geht es nicht allein um Alltags- oder Drogenkultur. All diese Räume waren an der Entwicklung von Literatur, Journalistik, Philosophie, Bühne, Politik und Religion beteiligt. Und der Austausch zwischen Drogengebrauch und Architektur findet sich direkt im Gebäude selbst.

Historische Bezüge geben manchen dieser Räume eine weitere, besondere Bedeutung. Emigranten Cafés erzählen auf eigene Weise bis heute von Verfolgung und Exil. Historische Ereignisse haben auch in sozialen Drogengebrauchsräumen stattgefunden. Die Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschland SAP als Vorläuferin der SPD erfolgte zum Beispiel 1875 im Wirtshaus „Tivoli“ in Gotha.

Solche Räume waren und sind mit konkreten biografischen Verankerungen verknüpft. Menschen suchten hier Zuflucht, Kontakt, Inspiration oder eine anregende Atmosphäre zum kreativen Schaffen. Der Schriftsteller E.T.A. Hoffmann hinterließ Anfang des 19. Jahrhunderts in Berlin in seinem Stammlokal „Lutter & Wegner“ am Gendarmenmarkt bleibenden Eindruck. Und im „Café des Westens“ am Kurfürstendam, auch „Café Größenwahn“ genannt, traf sich Anfang des 20. Jahrhunderts die Szene der Bohème und Literaten. Hier waren unter anderem Else Lasker-Schüler, Erich Mühsam und Carl Sternheim zu Hause.

Manche dieser Herbergen für Drogengebraucher*innen haben inzwischen historischen Wert, sind als kulturelle Schätze anerkannt und dienen als Museum.

Pivovar U Medvídků

Das kleine Biermuseum Prag

Im Prager Altstadtzentrum befindet sich eine urige Kneipe, die nicht nur die kleinste eigene Brauerei der Stadt, sondern in ihren Räumen und über mehrere Etagen verteilt auch eine Ausstellung rund um das berühmte alkohol- und hopfenhaltige Getränk beherbergt. Der Besucher kann bei dieser Mischung aus Museum und Gastraum böhmische Kultur live erleben.

( https://umedvidku.cz/de/ )

Retzer Erlebniskeller

Größter historischer Weinkeller Österreichs

Unter der Stadt Retz, in einem 21 km langen Labyrinth, können Schaulustige den Zauber der uralten Weingeschichte und die Kunst des Weinanbaus entdecken. Führungen inklusive einer anschließenden Weinverkostung sind möglich.

(www.erlebniskeller.at )

Oberrheinisches Tabakmuseum Mahlberg

Das Museum wirbt mit dem Slogan: „Regionale Kulturgeschichte nicht nur für Raucher“. Auf vier Etagen und in einem Tabaktrockenschopf wurde in der alten Zigarrenfabrik von Mahlberg die wohl umfangreichste Ausstellung rund um den Tabak gestaltet. Landwirtschaftliche und industrielle Arbeitsgänge zur Tabakherstellung werden dem Besucher vorgestellt, Tradition und Dimension des Tabakanbaus werden ebenso, wie die kulturelle Bedeutung dieser Pflanze thematisiert.

(http://www.tabakmuseum-mahlberg.de/ )

Tabakscheune/Tabakmuseum Vierraden

Eine ehemalige Tabakscheune beherbergt in unterschiedlichen Abteilungen die Ausstellung, welche dem Tabakanbau dessen Verarbeitung und Handel in der Uckermark gewidmet ist. Themen sind botanische, kulturelle und ökonomische Seiten der Tabakpflanze. Auch dem Schmuggel hat sich diese Exposition gewidmet.

Die Tabakscheune erzählt auf eigene Weise von der Kulturgeschichte einer Pflanze und deren Auswirkung auf Regionalkultur und Handel.

(https://www.uckermark-region.de/schwedt/vierraden/vierraden-tabakscheune.htm )

Haus „Zum Arabischen Coffe Baum“ in Leipzig

An historischer Stätte, dem ältesten erhaltenen Kaffeehaus von Leipzig, kann mit einer Wanderung durch die verschiedenen Gasträume und der Besichtigung der Museumsetage die spannende Geschichte sächsischer Kaffeekultur nachempfunden werden. Damit wird auch die Kulturgeschichte des Kaffeehauses thematisiert.

(https://www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de/besuch/unsere-haeuser/museum-zum-arabischen-coffe-baum/ )

Hemingway Bars in Havanna

Einige Bars leben, ähnlich wie manche Kaffeehäuser, vom Glanz früherer berühmter Gäste. So werben allein drei Bars in Kubas Hauptstadt Havanna damit, dass einst Ernest Hemingway in ihren Räumen Alkohol genossen hat. Das „El Floridita“, das „La Bodeguita del Medio“ und das „Dos Hermanos“ bieten noch heute Besucher*innen ein Flair, gemixt aus Karibikstil, kulturellem Anspruch und historischen Bezügen. Weitere berühmte Namen werden dabei gern ebenso erwähnt, so Pablo Neruda oder Nat King Cole.

Kaffeehaus

von der Brutstätte revolutionären Geistes zu einem vielgestaltigen Geschäftszweig der Gastronomie

Anhand des Kaffeehauses lässt sich die produktive Wechselwirkung zwischen Kultur und kollektivem Drogengebrauch besonders deutlich ablesen.

Da die Geschichte des Kaffeehauses an vielen anderen Stellen bereits ausführlich dargestellt wurde, will ich diese hier nur als Bonus anbieten. Verweisen möchte ich auf das ehr informative wie unterhaltsame Buch „Kaffee“ von Markus Berger (Nachtschatten Smart Books).

Mit der Geschichte des Kaffeegenusses eng verknüpft ist die Historie des Kaffeehauses. Das Kaffeehaus war eine heiß umstrittene Institution; gehasst und geliebt, bekämpft und verehrt gleichermaßen. Das Kaffeehaus war für die einen Wurzel des Aufruhrs und des sittlichen Verfalls, für die anderen „Schule der Weisheit“, unersetzbarer Treffpunkt und Zentrum einer unangepassten Lebensphilosophie.

Das Kaffeehaus – ein magischer Ort, der seinen Zauber bis heute nicht verloren hat.

Zeittafel

Ursprung

  • Erster öffentlicher Ausschank in Zelten, einfachen Bretterhütten oder auf der Straße erfolgte im Osmanischen Reich, nach 1400.
  • 1554 erstes Kaffeehaus in Instanbul.
  • Ab 1615 Handelsbeziehungen zwischen Venedig und dem Osmanischen Reich.
  • 1650 erstes Kaffeehaus Europas auf dem Markusplatz in Venedig.

Verbote

  • Die Obrigkeit verschiedener Länder beobachteten das Treiben in den Kaffeehäusern mit wachsendem Misstrauen. Sie galten als Treffpunkt kritischer Geister und Brutstätten des Aufruhrs.
  • Vom 16. – 18. Jahrhundert werden immer wieder Kaffeehäuser geschlossen oder gar abgerissen, um der Staatsräson Genüge zu tun.

Verbreitung

  • Weitere Kaffeehäuser wurden eröffnet: 1652 in London, 1664 in Den Haag, 1672 in Paris und 1694 in Leipzig.
  • 1683 Schlacht bei Wien: im Lager der fliehenden türkischen Truppen werden zahlreiche Säcke mit Kaffeebohnen gefunden. 1685 wird das erste Wiener Kaffeehaus eröffnet.

Von nun an entwickelten sich verschiedenste Formen von Kaffeehäusern rund um die Welt: Kaffeezelt, Café-Salon, Kaffee-Konditorei, Eiscafé, Café-Restaurant, Hotel-Café, Kaffeepalast, Galerie-Café, Hard Rock Café, Literatur- und Lesecafé, Internetcafé und so weiter.

Caféhaus-Kultur

Von Anbeginn waren Kaffeehäuser auch Zufluchtsorte für unzufriedene Staatsbürger und revolutionäre Ideen, für Maler, Journalisten, Poeten, für Träumer, Philosophen und Flüchtlinge (gleichgültig, ob man vor der Obrigkeit, den Gläubigern oder gar vor sich selbst auf der Flucht war). Cafés waren Treffpunkt und Inspiration, Wohn- und Arbeitsstube, Trost und Trauer in einem.

Berühmt wurden dabei vor allem Künstler-Cafés; ebenso bedeutsam und für die Betroffenen überlebenswichtig waren und sind Emigranten-Cafés, in denen politisch Verfolgte zusammenkamen, sich halfen und über Wasser hielten.

Das Kaffeehaus war ein öffentlicher Raum, zu dem jeder Zugang finden konnte. Der Grundsatz der Gleichheit und der offensiven Auseinandersetzung wurde praktiziert. Damit gingen wichtige demokratische Impulse von der Kaffeehauskultur aus. Hier konnte diskutiert und debattiert, gestritten und für neue Ideen geworben werden. Parteien und Vereine gründeten sich im Schutz des Kaffeehauses und hielten dort auch ihre Versammlungen ab. Im Kaffeehaus konnten Neuigkeiten ausgetauscht und Nachrichten von Ohr zu Ohr weitergegeben werden. Flugblätter wurden verteilt. Auf diese Weise stand das Kaffeehaus als Pate an der Wiege des modernen Pressewesens.

Im Kaffeehaus wurde künstlerischen Experimenten Raum gegeben. Freie Aufführungen waren möglich. Hier waren Musik, Literatur, Varieté und Kabarett zu Hause.

Die Bedeutung als wesentliches Kommunikationszentrum hat das Café inzwischen eingebüßt; dennoch hat es seine Fähigkeit bewiesen, sich an Zeitgeist und Moderne anzupassen. Ob als nostalgisches Refugium oder als postmoderner Meeting Point, ein Kaffeehaus bietet auch heute noch einen koffeinhaltigen Unterschlupf.

Historische Café-Häuser

Café-Haus Ort Eröffnung Eigenheit Berühmte Gäste
„Café Central“ Wien 1876 Treffpunkt von

Kritischen, kreativen

Geistern

Sigmund Freud

Stefan Zweig

Leo Trotzki

„Café de la Régence“ Paris 1681 Internationaler Treffpunkt für Schachspiel Denis Diderot

Jean-Jacques Rousseau

Karl Marx

“Café Slavia” Prag 1884 Café im Art-déco

Treffpunkt von Schriftsteller*innen und der Theaterszene

Bedřich Smetana

Karel Capek

Václav Havel

Egon Erwin Kisch

„Café Hoppe“ Amsterdam 1670 ältestes Cafèhaus in Amsterdam

Gründungsort der liberalen Partei D‘ 66

Hans van Mierlo (niederländischer Politiker)

Königin Beatrix

Freddy Heineken

„Lloyds Coffee House“ London 1686 Treffpunkt für die Schifffahrtsbranche,

kommunikativer Austausch zwischen Seefahrern, Reedereibesitzern und Handelstreibenden

 
„Zum Coffe Baum“ Leipzig 1711 eines der ältesten, durchgängig betriebenen Kaffeehäuser Europas,

denkmalgeschütztes Gebäude mit integrierten Museum zur sächsischen Kaffeekultur

August derStarke

J.S. Bach

E.T.A. Hoffmann

Robert Schumann

Erich Kästner

Kurt Masur

 

Künstler*innen-Cafés

 

„Antico Caffé Greco“ Rom 1760 Treffpunkt der internationalen Künstler*innenszene Ludwig Passini

E.T.A.Hoffmann

J.W. von Goethe

Carl Philipp Fohr

„Café Americain“ Amsterdam 1902 Innengestaltung im Jugendstil ,

Treffpunkt für Künstler*innen so wie für die queere Gemeinschaft

Harry Mulisch

Klaus Mann

Joseph Roth

„Café de la Paix Paris“ Paris 1862 Cafés im Pariser Künstlerviertel Montmartre Oscar Wilde

Émile Zola,

Guy de Maupassant Ernest Hemingway

„Café Odeon“ Zürich 1911 Treffpunkt kreativer Geister und Zentrum intellektueller Auseinandersetzungen,

inzwischen unter Denkmalschutz gestellt

Else Lasker-Schüler

Claire Goll

Erich Maria Remarque

Franz Werfel

James Joyce

Max Frisch

„Le Procope“ Paris 1686 Literaten- und

Künstler-Café

Voltaire

Jean-Jacques Rousseau

Alexander von Humboldt

„Café Royal“ London 1865 Zentrum von Kultur und Subkultur Virginia Wolf

George Bernhard Shaw

Arthur Conan Doyle

David Bowie

 

„Les Deux Magots“

 

Paris 1885 Bekannter Pariser Treffpunkt für kreative und kritische Geister Paul Verlaine

Arthur Rimbaud

Simone de Beauvoir

Jean-Paul Sartre

Umberto Eco

 

 

Emigrant*innen-Cafés

 

„Russische Emigranten, die vor Putins Krieg fliehen, finden Freiheit in den Cafés Armeniens“ – diese Schlagzeile der Internetseite „gettotext.com“ (https://gettotext.com/deutsch/russische-emigranten-die-vor-putins-krieg-fliehen-finden-freiheit-in-den-cafes-armeniens-russland/) weist auf eine überlebenswichtige Funktion von Kaffeehäusern hin. Für Migrant*innen waren und sind Cafés wichtige Treffpunkte, wo sie Gleichgesinnte, existentielle Informationen und einen gewissen Schutz finden können.

Das „Café Luxor“ in Prag war bis zur militärischen Besetzung 1939 Zufluchtsort deutscher, antifaschistischer Emigranten. Auch das Züricher „Odeon“ bot Migrant*innen, die vor dem Terror der Nationalsozialisten fliehen mussten, eine beliebte Anlaufstelle.

Absintherien in Solothurn und in Prag

Im Zuge der Re-Legalisierung von Absinth entstanden Fachgeschäfte, zugängliche Destillen und Absinthbars, die zu Knotenpunkten der aus dem Schlaf geweckten Absinth-Kultur wurden.

Im Jahr 2005 wurde nach der Wiederzulassung von Absinth in Solothurn die erste legale Absintherie „Die grüne Fee“ in der Schweiz eröffnet. Die Idee kam von dem „Nachtschatten“-Verleger Roger Liggenstorfer, dessen Großvater einst ein bekannter Absinth-Schmuggler war. Als Innenarchitektin setzte Chris Heidrich ihre kreativen Ideen ein. Auf der Homepage heißt es dazu:

„Das Geheimnisvolle des Getränks, dem noch immer die Aura des Verbotenen, Verruchten und Berauschenden anhaftet, spiegelt sich in der Innenarchitektur wider: Die mintfarbenen Wände erinnern an das milchige Blaugrün des edlen Elixiers, und das bordeauxrote Mobiliar sorgt für eine geborgene Atmosphäre, in der separèeartige Alkoven zum vertraulichen Tète-a-Tète einladen. Die Absinthepflanzen selbst sind in den Formen der organisch gebogenen Stahlrohre des Bartresens und der Möbel sowie in den Wandbemalungen wiederzufinden, und das Kupfer der Destillierapparate wurde für die Oberfläche des Tresens aufgegriffen. Vom Jugendstil inspiriert und mit den zeitgenössischen Elementen der beiden Künstler Christian Stattmann und Erika Laiber, den Grafiken von Christian Jaberg und Sven Sannwald sowie der Wandmalerei der Bühnenmalerin Vanessa Wildboltz kombiniert, entstand die ungewöhnliche, kreative Gestaltung, die wie der Absinthe das Flair des Besonderen hat.“

(aus https://diegruenefee.ch/ )

Neben der Schweizer Region Val de Travers profiliert sich Prag als Hotspot der europäischen Absinth-Renaissance. Die beiden Absinth-Bars in der Jilska-Straße bzw. nahe des Franz-Kafka-Platzes sind deutlich erkennbar und beeindrucken durch ihre originelle innere Gestaltung. Historische Anspielungen, grafische Ausstattung und ausgestellte Utensilien verweisen auf die Absinth-Kultur. In der Absintherie in der Jilska-Straße werden zudem regelmäßig Ausstellungen von grafischen Werken oder Fotografien präsentiert.

(https://www.absintherie.cz/ )

Weinkeller

Raum für Erinnerung, Träume, Weinkultur

Das Licht leuchtet nur spärlich. Es riecht etwas modrig und nach Wein. Die alten Fässer befinden sich nur eine Treppe weiter nach unten. Die Atmosphäre vermittelt Geschichte und der Weinkeller kann Geschichten erzählen.

Wilhelm Hauff

„Fantasien im Bremer Ratskeller“

Wilhelm Hauff gehört zu den begnadetsten Erzählern der deutschen Literatur. Seine Geschichten und Märchen – wie z.B. „Das Wirtshaus im Spessart“ oder „Die Geschichte vom Kalif Storch“ – sind bis zum heutigen Tag bei Jung und Alt beliebt.

Im Herbst 1827, kurz vor seinem frühen Tod, schreibt er seine romantisch – fantasievolle Novelle vom Bremer Ratskeller, in welcher der Wein und seine Geister die Hauptrolle einnehmen: Als sich ein junger Doktorus, von Liebeskummer geplagt, in einer Nacht des 1. September in den Bremer Ratskeller einschließen lässt, bekommt er nach Mitternacht seltsame Gäste zu sehen. Die Weingeister selbst sind es, die sich hier jedes Jahr versammeln, um vergnügliche & ernste Geschichten rund um den Rebensaft auszutauschen.

 

Räume für Ritual und Zeremonie

Eine auf sozialer und kultureller Ebene verbindende Form gemeinschaftlichen Drogengebrauchs geschieht durch Ritual und Zeremonie. Tradition, Identität und Spiritualität binden sich in den Ablauf ein. Solche Zeremonien werden zu Hause gestaltet, wobei der Raum dafür in besonderer Weise vorbereitet wird. Oder sie werden in dafür vorgesehenen Gebäuden zelebriert, die auf die Durchführung von Drogenritualen ausgerichtet sind.

Die Kaffeezeremonie ist in Äthiopien verbreitet. Auch in äthiopischen Restaurants, die in Europa beheimatet sind, kann diese erlebt werden. Die Kaffeezeremonie stärkt den sozialen Zusammenhalt und schärft alle Sinne. Kaffeebohnen werden im Rahmen der Zeremonie geröstet, Weihrauch geräuchert und der Kaffee in dramaturgisch geregelten Formen ausgeschenkt.

Die Kava-Kava-Zeremonie gehört bis heute zu den prägenden Traditionen der Völker auf den Inseln des Pazifischen Ozeans:

„Kava Kava ist ein essenzieller Bestandteil des Lebens auf den Inseln im Pazifischen Ozean. Die Zeremonien mit der psychoaktiven Wurzel sind Symbol für Freundschaft, bringen Menschen zusammen und geben besonderen Anlässen eine noch signifikantere Bedeutung.“ ( https://psychonaut.eu/2020/06/30/kava-kava-piper-methysticum/ )

Die Zeremonie wird im Gemeinschaftshaus des Ortes oder im Freien auf einem gemeinschaftlich genutzten Platz durchgeführt. Dazu werden die benötigten Gegenstände, Gefäße und vorbereitete Kava-Wurzeln zum Bereiten des Trankes platziert und der Zeremonie-Raum geschmückt und gestaltet.

Zu den spirituellen Räumen für Drogenrituale gehören frühere Tempelanlagen, wie zum Beispiel die Kultstätte des Orakels von Delphi oder die Anlagen für die Mysterien von Eleusis. In ihrem Buch „Pflanzen der Götter“ berichten Hofmann und Schultes, dass das Peyote-Ritual nordamerikanischer Indigenas in Rundtipis bzw. im Peyote-Rundhaus vollzogen wird. Die Innenausstattung folgt in Symbolik und Ästhetik der Peyote-Zeremonie. Zu einer Verflechtung indigener, schamanischer Kultur mit christlichen Elementen kommt es in einigen Gruppen, die traditionelle Entheogene als Sakrament einsetzen. Diese Verflechtung wird auch in der Architektur der Spiritualräume erkennbar. Neben der Native American Church, die Peyote als Sakrament nutzt, begegnet dieses Phänomen auch in weiteren religiösen Gemeinschaften. Der zentralafrikanische Bwiti-Kult integriert den rituellen Iboga-Gebrauch. Im brasilianische Santo Daime wird Ayahuasca spirituell eingesetzt.

 

Teehaus, Japan

Die japanische Teehauszeremonie will den meditierenden Menschen zu innerer und äußerer Harmonie führen. Die klare Schönheit des Teehauses ordnet sich dabei dem Charakter des Rituals unter. Architektur und Raumgestaltung dienen dem geistig verstandenen Tee-Weg.

Cees Nooteboom „Rituale“

Der niederländische Erzähler Cees Nooteboom beschreibt innerhalb seines Romanes „Rituale“ den Ablauf einer Teezeremonie. Die Geschichte, die in Amsterdam der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts spielt, handelt von Sinnlichkeit und Frauen, Einsamkeit und Männern, von Wirklichkeit und Unwirklichkeit, von Leben und Tod. Dabei nimmt die Philosophie des Tees die Rolle des Spiegels ein, der uns zeigt, wie fähig bzw. wie unfähig wir sind, eine eigene Beziehung zu unserem Dasein zu finden.

„In der Hand hatte er eine Kanne, die, wie sich später erwies, Wasser enthielt. Er machte eine knappe Verbeugung, die sie erwiderten. Er verschwand und kam wieder zum Vorschein, diesmal mit einer hohen, runden schwarzlackierten Schachtel. Feine Goldfäden schimmerten unter dem glänzenden Schwarz. Sodann kam ein Tablett mit kleinen, pastetenartigen Kuchen, die herbstliche Lohe der Raku-Schale und ein langer, schmaler Gegenstand, ganz schlicht aus Bambus geschnitten, mit einer kleinen Krümmung am äußersten Ende, wie wenn an einem sehr langen Finger nur das letzte Glied gekrümmt wäre. Es folgte dann noch eine Art Haarbürste, aus aufgerautem, äußerst feinem Rohr oder Bambus gefertigt, und schließlich eine breite, etwas bäurische Schale und ein Holzbecher an einem langen Stiel. Taads setzte das alles um sich herum, zweifellos an vorausbestimmte Stellen. Seine Bewegungen glichen denen eines langsamen Tänzers und waren von untadeliger Zielsicherheit. Es herrschte weiterhin absolute Stille. Das Rascheln der Kleidung, das Brodeln des kochenden Wassers, das Heulen des Sturms, und doch regierte das Schweigen so zwingend, dass es schien, als hätten die Gegenstände…auf eine aktive Weise teil an der Stille. Es war, als schwiegen sie und drückten doch durch ihre vollendete Form aus, dass dies ein vorgefasstes Schweigen war.

(Cees Nooteboom „Rituale“ Suhrkamp Verlag Frankfurt 1995, S. 219-221)

 

Coffeeshops, Niederlande

“Alles begann 1975, als meine Mutter eine Gesetzesänderung durchbrachte. […] Vorher machte das Opiat-Gesetz keinen Unterschied zwischen Hasch, Coke und Heroin. Meine Mutter stellte als Gesundheitsministerin zwei Listen auf.“

So beschreibt Koos Zwart, einer der bedeutendsten Cannabis-Aktivisten der Niederlande, in dem Buch „Oh Amsterdam! Das neue Jerusalem der Drogenkultur“ (William Levy, Volksverlag 1983) den Start für eine tolerantere Cannabis-Politik in seinem Land. Diese besagten zwei Listen dienten dazu, die Märkte zwischen psychoaktiven Cannabisprodukten einerseits und denen der anderen illegalen Drogen andererseits weitgehend zu trennen. Mit Blick auf Haschisch und Marihuana wurde nun das in den Niederlanden mögliche Opportunitätsprinzip angewandt. Dieses besagt, dass Polizei und Staatsanwalt von der Verfolgung von Straftaten absehen kann, wenn dies der inneren Sicherheit eher zugänglich ist. Dadurch entstand in den Niederlanden die Situation, das Erwerb, Besitz und auch die Veräußerung geringer Mengen an psychoaktivem Cannabis verboten blieb, aber geduldet (niederländisch: „gedogen“) wurde. Die Produkte kommen aus klassischen Anbauländern wie Marokko, Afghanistan, Libanon und Thailand. Zunehmend werden auch einheimisch gezüchtete Sorten, sogenanntes „Nederweed“, angeboten.

So wuchs in den letzten Jahrzehnten eine lebendige und Vielfältige Cannabis-Kultur, die in den Coffeeshops ihren architektonischen Ausdruck fand. Coffeeshops sind Symbole für einen Umgang mit Drogen, der auf Repression verzichtet und soziale, kulturelle und kreative Freiräume ermöglicht.

Das Erscheinungsbild der Coffeeshops ist vielfältig; genau so divers wie die Menschen, die hinter diesem Projekt stehen. Doch bis in die Details spiegelt die Gestaltung der Coffeeshops auch Liebe zur Pflanze Hanf.

„The Bulldog“, Amsterdam

Dieser im Oudezijds Voorburgwal liegende Coffeeshop fällt durch seine markante Bemalung auf. Das Wandgemälde stammt von dem australischen Künstler Harold „The Kangaroo“ Thornton, der auch weitere Gebäude des Bulldog Unternehmens als grafischen Raum nutzte.

’t Grasje, Utrecht

In diesem Laden hat der Betreiber traditionelle Kunstformen mit der Coffeeshopkultur zusammengebracht. Im Stil alter niederländischer Farbglasscheiben ließ er mehrere Fenster gestalten, auf denen er Szenen aus der Hanfproduktion darstellen ließ. Dies, so sagte er, solle sein Zeichen des Respektes vor allen Menschen sein, die mit ihrer Arbeit dafür sorgen, dass Hanf weiterhin zugänglich ist.

„Boerejongens“, Amsterdam

Von diesem Unternehmen werden mehrere Coffeeshops betrieben, die vor allem durch ihre sachliche, übersichtliche Atmosphäre bestechen. Das Innere ähnelt einer Candy-Bar. Die Mitarbeitenden treten mit Sachkenntnis, Eleganz und eigenem Chic auf.

Es gibt Coffeeshops in völlig verschiedenen Stilen:

Als Lounge eingerichtet, in kühler und nüchterner Atmosphäre gestaltet, mit spirituellen Bezügen, mit Leuchteffekten ausgestattet oder mit einem reichhaltigen Angebot an Brettspielen.

So vielfältig wie die Musik, das Publikum oder das Angebot in den Coffeeshops ist auch deren räumliche Gestaltung.

„Eden Hashish Centre“, Nepal

Zu Beginn der 1970er Jahre war Nepal beliebter Zufluchtsort für Hippies. In Kathmandu war es möglich, in einzelnen Geschäften legal Ganja zu kaufen. Der bekannteste Treffpunkt war das „Eden Hashish Centre“. Dessen Betreiber, Herr Sharma, produzierte auch Kalender und Plakate mit Motiven indisch-nepalesischer Spiritualität. Heute stellen diese Sammlerstücke kostbare Zeugnisse einer außergewöhnlichen Kultur dar.

Auf Druck der US-Regierung musste Nepal diese Orte für legalen Ganja-Handel schließen.

Cannabis Social Clubs, Spanien

In Spanien und Belgien wurde ein Modell zur Regulierung von Cannabis entwickelt, das geeignet ist, den ökonomischen Druck der Illegalität effektiv zu transformieren, Konsument*innen- und Jugendschutz zu gewährleisten und auch einen legalen Schutzraum für Cannabiskultur zu ermöglichen: der Cannabis Social Club (CSC).

Auch diese Räume weisen spezifische Gestaltungselemente auf.

Weitere Informationen zu Cannabis Social Clubs:

(https://hanfjournal.de/2013/07/02/cannabis-social-clubs-2/ )

Ein Palast für den Hanf

Hanf-Museum Barcelona „Palau Mornau“

(https://hashmuseum.com/de/barcelona/ )

„Das Museum in Barcelona befindet sich in einem atemberaubenden modernistischen Palast. Der Palau Mornau ist ein Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, das 1908 vom Architekten Manuel Raspall auf dem Höhepunkt des Modernismus renoviert wurde.

Im Jahr 2012 wurde das Gebäude erneut renoviert, wobei die spektakulären Glasfenster, der Holzboden und die prächtigen Schmiedeeisenarbeiten in ihrer ursprünglichen Pracht wiederhergestellt wurden. Heute beherbergt der Palast die weltweit größte Cannabis-Sammlung.“

(aus hashmuseum.com)

Opium-Salon

„Ab dem 18. Jahrhundert ließen die Briten in großem Stil Opium in Britisch-Indien erzeugen, um mit dieser Ware ihre steigenden Teeeinkäufe in China zu finanzieren. Die Ausbreitung des Opiumkonsums zu Heil- und Genusszwecken führte in China zu einer Opiumkultur, die sich mit der Entwicklung von Rauchopium und der Etablierung von Einrichtungen verband, in denen gemeinschaftlich Tschandu genossen wurde. Mitte des 19. Jahrhunderts wanderten Chinesen in europäische Metropolen, vor allem aber in die USA ein und importierten dabei ihre Opiumkultur.“

(aus https://www.zeitenblicke.de/2009/3/titel )

Ein Raum, der zur Inhalation von Opium ausgerichtet war, wird Opium-Salon, Opium-Divan oder umgangssprachlich Opiumhöhle genannt. Chinesische Einwanderer brachten auch ihre Opium-Kultur mit. Auf diesem Weg wurden im 19. Jahrhundert Opium-Salons auch in Südostasien, Nordamerika und in Europa eröffnet. Unter anderem gab es diese Räume für gemeinschaftlichen Opium-Gebrauch in London, Marseille, Liverpool, Le Havre, Rotterdam, Paris, Toulon, Brest und Hamburg.

„Je nach Klientel waren die Opiumhöhlen schlicht oder prunkvoll ausgestattet. In der Regel bestanden die Opiumhöhlen aus einem großen Raum, der im Wesentlichen Pritschen für die Opiumraucher enthielt, in Einzelfällen waren aber auch Opiumhöhlen vorhanden, die von einem Korridor ausgehend über eine Vielzahl von einzelnen Opium-Divanen verfügten. Die meisten Etablissements hielten ein umfangreiches Equipment vor, wie z.B. spezielle Opiumpfeifen und Opiumlampen, die für den Rauchkonsum des Opiums vonnöten waren.“

(aus Opiumhöhle (suchtmittel.de)

Psychedelische Elemente in der Architektur

Mandala, Schmuckfenster

Mandalas (sanskrit: „Kreis“), aus visuell-rhythmisch angeordneten Ornamenten und Mustern gestaltet, dienen der geistlichen Übung. Sie unterstützen die Meditation, verhelfen zu einer tieferen Wahrnehmung und machen äußere wie innere Bilder sichtbar. Mandalas haben in der hinduistischen bzw. buddhistischen Kunst eine außergewöhnliche Bedeutung, kommen aber unter anderer Bezeichnung in vielen anderen spirituellen Traditionen und als Stilelement in der modernen Kunst vor.

Bunte Kirchenfenster haben oft Mandala-Charakter. Im Spiel mit dem Sonnen– bzw. Kerzenlicht können sie beim Betrachter visionäre Empfindungen auslösen.

Friedensreich Hundertwasser

– eigentlich Friedrich Stowasser –

*  1928 Österreich, +   2000 Neuseeland

„Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch“ schreibt Friedensreich Hundertwasser 1958 in seinem „Verschimmelungsmanifest“. Gegen den Rationalismus in der Architektur setzt er auf organische Gesamtkonzepte. Vielfalt, Farbigkeit und Fantasie, die dem der Natur abgelauschten Geheimnis des Wachsens entsprechen, geben seinen Gebäuden das typische Hundertwasser-Design. Die Spirale, in seinen Bildern als Symbol vorherrschend, gewinnt architektonische Dimension. Neben einer genauen Naturbeobachtung und einer tiefen Spiritualität haben auch psychedelische Erfahrungen, so mit Psilocybin, Hundertwassers Kreativität inspiriert.

Alltags- und Drogenkultur in wundersamer Harmonie

Wenn im Allgemeinen von Einflüssen der Drogenkultur gesprochen wird, erwarten Viele eher etwas Exotisches, Ausgefallenes oder gar Anstößiges. Dabei verschränken sich Alltags- und Drogenkultur weit harmonischer und konstruktiver, als auf den ersten Moment vermutet. Das Beispiel der kulturellen Gestaltung von Räumen, die eines sozialen und kommunikativen Drogengebrauches dienen, weist darauf hin: wir sind weit mehr mit Drogenkultur im Kontakt und leben mit deren Wirklichkeit, als es uns oft bewusst ist.

Die Wertschätzung der kulturellen, sozialen und kommunikativen Kraft von Drogengebrauch wäre ein weiterer, wichtiger Schritt hin zu einer Normalisierung im Umgang mit diesem Phänomen.